Wie können wir die elektrische Energieversorgung auch bei einem sehr hohen Anteil an Erneuerbaren Energien sicherstellen?





Bis 2030 wird ein Großteil der Stromproduktion in Deutschland aus Wind- und Sonnenkraft erfolgen. Sie sollen dann zusammen mit Biomasse, Geothermie und der Wasserkraft rund die Hälfte des Bruttostromverbrauchs decken. Da diese Energieformen weitestgehend wetterabhängig sind und damit nicht dem Verbrauch folgen, müssen die Netze erweitert und erneuert sowie alle verfügbaren Flexibilisierungmaßnahmen erschlossen werden. Einen möglichen Weg will dabei das vom BMWi geförderte Forschungsprojekt REGEES aufzeigen.


   

Hintergrundbild: © Technische Universität Ilmenau, Fachgebiet Elektrische Energieversorgung

Projekt und Ziele



Projektsteckbrief



Projektname: Optimale Betriebs- und Regelungsstrategien für das zuverlässige elektrische Energieversorgungssystem Deutschlands bei vollständiger Integration der Einspeisung aus erneuerbaren Energien im Zeithorizont 2030
Projektlaufzeit: 01/2015 - 12/2017
Projektstatus: Laufend
Konsortium: Fünf Partner




Abbildung 1: Einordnung von Markt-Netzbetriebsführung und ÜNB-VNB-Netzbetriebsführung

Schon heute stehen die Verteil- und Übertragungsnetze vor großen Herausforderungen. Die zunehmenden dezentralen Einspeisepunkte belasten das für wenige große Kraftwerke konzipierte Stromnetz und ein weiterer Ausbau von Erneuerbaren Energien ist geplant. Die dabei auftretenden Belastungen für das Netz sind wissenschaftlich noch nicht in allen Facetten beleuchtet und stellen große Herausforderungen für die Betreiber dar. Ein Punkt sind zum Beispiel die bidirektionalen Leistungsflüsse: Verbraucher werden bei bestimmten Wetterbedingungen zu Erzeugern. Je nach der topologischen Verteilung und der lokalen Wetterbedingungen ergibt sich so eine sehr unterschiedliche Dynamik und Volatilität hinsichtlich der Einspeise-Bedarfs-Situation. Derzeit können verschiedene Maßnahmen dafür sorgen, 100 Prozent der erneuerbaren Energien einzuspeisen:

  • Erhöhung der Flexibilität von konventionellen Kraftwerken
  • Netzebenenübergreifende Betriebsführung mit einer horizontal-vertikalen Leistungsflussoptimierung inklusive eines zukünftig möglichen Overlay-Netzes
  • Netzübergreifende Nutzung verfügbarer Speicher-, Regel- und Flexibilitätspotenziale
  • Beitrag Erneuerbarer Energien zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen (Leistungs-, Frequenzregelung, Spannungshaltung und Blindleistungsbereitstellung) zum Beispiel in Form von virtuellen Kraftwerken

Im Forschungsvorhaben REGEES erarbeiten und demonstrieren die Wissenschaftler Ansätze einer koordinierten Netzbetriebsführung und -regelung. Das Ziel ist es, zentrale, dezentrale regelungstechnische Potenziale optimal auszunutzen, aber auch die Anforderungen des Energiemarktes zu beachten. Eine neue Herausforderung stellen vor allem die unteren Spannungsebenen der Verteilnetze dar. Dort fehlt heute eine durchgehende Online-Überwachung zum Netzschutz. Die zu entwickelnde technisch anspruchsvolle Mess- und Kommunikationstechnik wollen die Projektpartner aber nicht nur in den unteren Spannungsebenen etablieren, sondern sie über alle Netzebenen hinweg betreiben.

Mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien wird eine hinreichend genaue messtechnische Erfassung aller Netzebenen unerlässlich. So können Netzbetreiber eine koordinierte und effiziente Fahrweise der unmittelbar betroffenen Netze mittels Fahrplanaustausch ermöglichen. Daher müssen auf diesem Ansatz basierende SCADA-Systeme in der Lage sein, die messtechnische Erfassung und Zustandsschätzung auch von bisher unüberwachten Netzebenen zu unterstützen und als zusätzliche Eingangsgröße für die neu zu entwickelnden netzübergreifenden Betriebsführungs- und Regelungsstrategien zur Verfügung zu stellen. Die entwickelten Betriebsführungskonzepte werden auf dieses Modell angewendet und dessen Auswirkungen untersucht.

Im Fokus der Arbeiten stehen die Entwicklung und vertiefende Untersuchungen von zwei Betriebsführungs- und Regelungsstrategien:

  • Koordinierte ÜNB-VNB-Netzbetriebsführung
  • Koordinierte Markt-Netzbetriebsführung

Die koordinierte ÜNB-VNB-Netzbetriebsführung stellt einen neuen, innovativen Ansatz dar und beinhaltet die Ermittlung der optimalen horizontalen und vertikalen Leistungsflüsse durch eine Netzebenen übergreifende Betrachtungsweise. Die Ingenieure berücksichtigen dabei die planbaren und dezentralen fluktuierenden Einspeisungen und Bedarfe sowie die aktuelle Topologie. Die Optimierung liefert dann einen 15-Minuten-Fahrplan für Netzverknüpfungspunkte und steuerbare Betriebsmittel - wie zum Beispiel Speicher - bei maximaler Nutzung der erneuerbaren Energien und minimaler Abregelung dezentraler Einspeisungen nach § 13EnWG.

Die bisherige regionenorientierte Betrachtungsweise erweitern die Experten im Rahmen der zu entwickelnden Betriebsführungsstrategie um vor- und nachgelagerte Netze. Dabei nehmen sie an, dass eine neue Netzebene als HGÜ-Overlaynetz oberhalb der heute bestehenden 400-kV-Ebene entsteht. Weiterhin erfolgt eine Definition der zugehörigen Prozesse für den Fahrplanaustausch zwischen den betroffenen Netzbetreibern.

Konsortium




Der Institutsteil Angewandte Systemtechnik des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung entwickelt innovative und anwendungsnahe Lösungen für Energie- und Wasserversorger, forscht an autonomen Unterwasserfahrzeugen und beschäftigt sich mit dem Hard- und Softwaredesign von eingebetteten Systemen. Die Abteilung Energie entwickelt für die nachhaltige, effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung innovative Systemlösungen für die Energieträger Strom, Gas, Wärme und Kälte. Themengebiete wie Demand Response sowie Demand Side Management und Energiespeicher werden hierbei betrachtet. Zur Netzintegration von erneuerbaren Energien werden unter anderem Windleistungsprognose-Technologien entwickelt.

Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Bretschneider
Tel.: +49(0)3677 461 102
E-Mail: peter.bretschneider@iosb-ast.fraunhofer.de




Die technologische Ausrichtung des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und - automatisierung besteht darin, innovative und kundenorientierte Problemlösungen auf den Gebieten Energietechnik, Logistik und Materialflusstechnik, Robotersysteme, Mess- und Prüftechnologie, Virtual Engineering und virtuelles Training zu konzipieren, zu entwickeln und zu realisieren. Im Geschäftsfeld Prozess- und Anlagentechnik werden, neben Anlagen und Verfahren zur energetischen Biomasse-Nutzung, elektrische Antriebs- und Energiewandlungssysteme zur Nutzung regenerativer Energiequellen untersucht und entwickelt. Die Gruppe Elektrische Energiesysteme beschäftigt sich mit Anwendungsmöglichkeiten von digitalen Systemen zur weiträumigen Überwachung, Steuerung und Schutz des elektrischen Energiesystems und mit der Unterstützung des Betriebs von Netzleitwarten durch Visualisierungstechniken. Die dynamische Simulation elektrischer Systeme und Energiespeichermethoden sowie die Netzintegration von Elektromobilen zur Vermeidung von Netzengpässen und Netzausfällen stellen weitere Forschungsfelder dar.

Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Przemyslaw Komarnicki
Tel.: +49 (0)391 40 90 373
E-Mail: komarn@iff.fraunhofer.de




Der Forschungsschwerpunkt des Fachgebiets Elektrische Energieversorgung der Technischen Universität Ilmenau liegt auf dem Design, der Analyse und des Betriebs elektrischer Energieversorgungssysteme. Das Fachgebiet beschäftigt sich u.a. mit zukünftigen Anforderungen an die Energieübertragung und -verteilung, der Integration neuer Basistechnologien, optimaler Betriebsführung sowie der Modellierung und Analyse des gesamten Energiesystems von der Transportnetzebene bis hin zur Anlage auf der Endverbraucherseite. Im Übertragungsnetzbereich sind die Schwerpunktthemen Systemführung mit neuen Technologien wie etwa vermaschte Hochspannungsgleichstromnetze sowie der Einsatz modernster kommunikationstechnischer Einrichtungen der nächsten Generation von Netzleitsystemen. Verteilernetzseitig liegt derzeit das Hauptaugenmerk auf der sogenannten vertikalen Betriebsführung, d.h. der Nutzung betrieblicher Steuerungspotentiale in allen Spannungsebenen zur betrieblich optimalen Integration erneuerbarer Energiequellen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Dirk Westermann
Tel.: +49 3677 69-2838
E-Mail: dirk.westermann@tu-ilmenau.de




Der Fokus von Forschung und Lehre am Lehrstuhl Elektrische Netze und Alternative Elektroenergiequellen der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg liegt auf der intelligenten Integration von verteilter und erneuerbarer Energieerzeugung und Speichern in die elektrischen Energienetze. Dabei stehen die Eigenschaften von verteilten, erneuerbaren Energiewandlungsanlagen und deren Verhalten am Netz im Vordergrund, welche anhand von entwickelten Netzmodellen vertieft untersucht werden. Im Brennstoffzellen- und Photovoltaiklabor werden Elektroenergieeinspeisungen ins Netz besonders praktisch untersucht. In einem modernen Netzschutz- und Leittechniklabor werden neue Schutzalgorithmen für elektrische Netze mit verteilter Stromerzeugung unter Beachtung von Netzrückwirkungen und Spannungsqualität entwickelt. Ein Multimedialabor dient zur Modellierung und Simulation von Netzstrukturen und deren Betrieb sowie darüber hinaus zur Optimierung bei verschiedenen Szenarien.

Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. habil. Martin Wolter
Tel.: +49(0)391 67 18592 (Sekretariat)
E-Mail: martin.wolter@ovgu.de




Die Siemens AG (Berlin und München) ist ein global agierender Technologiekonzern mit Schwerpunkt in den Bereichen Elektronik und Elektrotechnik. Der Konzern ist mit seinen Aktivitäten auf den Gebieten Industrie, Energie, Gesundheit und Infrastrukturlösungen weltweit führend. Rund 362.000 Mitarbeiter - 118.000 oder 33% davon in Deutschland - entwickeln und fertigen Produkte, konzipieren und bauen Systeme und Anlagen und bieten maßgeschneiderte technische Lösungen für individuelle Probleme an. Die Siemens AG ist ein führender Hersteller von Leittechnik für Kraftwerke sowie Übertragungs- und Verteilungsnetze. Die Siemens AG entwickelt auch spezielle Simulationstools, mit denen sowohl Planungsstudien als auch Stabilitätsanalysen von Übertragungs- und Verteilungsnetzen durchgeführt werden können.

Ansprechpartner:
Dr. Mathias Duckheim
Tel.: +49 9131 7-20482
E-Mail: mathias.duckheim@siemens.com



Arbeitsschwerpunkte und Ergebnisse

Das Projekt umfasst folgende Arbeitsschwerpunkte:

Anforderungsanalyse


Im Rahmen des Arbeitspaketes "Anforderungsanalyse" erfolgt die Ermittlung und Analyse der Anforderungen, die sich an Betriebsführung und Regelung des elektrischen Energiesystems bei maximaler erneuerbarer Energieeinspeisung ergeben. Die Untersuchungen beleuchten sowohl die Netz- und Markt- als auch SCADA-Anforderungen.
Wissenschaftliche Leitung: TU Ilmenau



Optimale vertikale Netzführung


Im Rahmen des Arbeitspaketes "Optimale vertikale Netzführung" werden die Methoden, Algorithmen und Betriebsführungsansätze für die optimale vertikale Netzführung entworfen, untersucht und umgesetzt.
Wissenschaftliche Leitung: TU Ilmenau



Optimale horizontale Netzführung


Im Rahmen des Arbeitspaketes "Optimale horizontale Netzführung" werden die Methoden, Algorithmen und Betriebsführungsansätze für die optimale horizontale Netzführung entworfen, untersucht und umgesetzt. Dazu werden die Netzstrukturen und -modelle von Übertragungs- und Verteilungsnetzen für die weiteren simulativen Untersuchungen erarbeitet.
Wissenschaftliche Leitung: Fraunhofer IFF

Virtuelles Kraftwerk mit 100 Prozent erneuerbaren Energien


In dem Arbeitspaket "Virtuelles Kraftwerk mit 100% EE" werden die Auslegungskriterien für EE-Einspeisungen sowie Ansätze und Methoden für die Betriebsführung virtueller Kraftwerke untersucht. Dazu müssen Algorithmen für die Prognose der Einspeisung aus Erneuerbaren und für die Prognose von Lasten entwickelt werden. Darauf aufbauend werden koordinierte Betriebsstrategien mit der horizontalen und vertikalen Netzführung ermittelt. In den weiteren Untersuchungen erfolgt eine Analyse und Bewertung der Zuverlässigkeit im Virtuellen Kraftwerk mit Hilfe geeigneter Methoden.
Wissenschaftliche Leitung: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg



Koordinierte Markt-Netz-Betriebs-
führung


Inhalt des Arbeitspaketes "Koordinierte Markt-Netz-Betriebsführung" ist die Erforschung und Entwicklung einer koordinierten Markt-Netz-Betriebsführung und eine Verbindung zur vertikalen und horizontalen Netzführung.
Wissenschaftliche Leitung: Fraunhofer IOSB-AST



SCADA/EMS


Das Arbeitspaket "SCADA/EMS" erforscht, konzipiert und entwickelt die erforderlichen neuen Funktionen und Methoden, die von einem, auf diesem Ansatz beruhenden SCADA-System zu unterstützen sind.
Wissenschaftliche Leitung: Siemens AG

Presse und Publikationen


Aktuelle Publikationen:

Schwerdfeger, Robert; Schlegel, Steffen; Westermann, Dirk. "Approach for N-1 Secure Grid Operation with 100% Renewables", IEEE PES General Meeting, Boston, USA, July 17-21,2016

Zimmermann, Tobias; Klaiber, Stefan; Bretschneider, Peter. "A Market System Operator as a new role to balance the distribution grid and to coordinate market and grid operations", IEEE International Energy Conference (EnergyCon), Leuven, Belgium, April 4-8, 2016

A. Richter, N. Moskalenko, I. Hauer, T. Schröter, M. Wolter. "Technical integration of Virtual Power Plants into German System Operation", International Conference on the European Energy Market (EEM), Dresden, 2017

Zimmermann, Tobias; Klaiber, Stefan; Naumann, Steffi; Bretschneider, Peter. "Acquisition of a balance responsible party under grid restrictions in an extended scheduling system", International Conference on the European Energy Market (EEM), Dresden, 2017

Klaiber, Stefan; Naumann, Steffi; Warweg, Oliver; Bretschneider, Peter. "A New Operation Management Approach to Coordinate Market and Grid Operations", International ETG Congress, Bonn,2017

A. Richter, C. Klabunde, M. Wolter and J. Gronau, "Renewable Energy Forecasting Optimization for System Operator and Trader", in Proc. of 2017 IEEE PES General Meeting, Juli 2017 (doi: 10.1109/PESGM.2017.8274067

A. Richter, C. Ziegler, N. Moskalenko und M. Wolter, "Das Virtuelle Kraftwerk als gewinnorientierter Akteur mit verteilnetzunterstützendem Potential" In: Zukünftige Stromnetze für Erneuerbare Energien: 4. OTTI-Konferenz : 31. Januar/01. Februar 2017, Steigenberger Hotel am Kanzleramt, Berlin - Regensburg: OTTI, insges. 6 S. ; (Konferenz: 4. OTTI-Konferenz, Berlin, 31. Januar/01. Februar 2017)

A. Richter, I. Hauer, M. Wolter "Algorithms for Technical Integration of Virtual Power Plants into German System Operation", Advances in Science, Technology and Engineering Systems Journal, vol. 3, no. 1, pp. 135-147 (2018) (doi: 10.25046/aj030117)

D. Westermann et al., "Control strategies for a fully RES based power system," International ETG Congress 2017, Bonn, Germany, 2017, pp. 1-6.

Juan Alemany, Fernando Magnago, Pio Lombardi, Bartlomiej Arendarski, Przemyslaw Komarnicki; "Multiobjective Optimization Model for Wind Power Allocation", Hindawi Mathematical Problems in Engineering, Volume 2017, Article ID 1876934, 10 page

Kontakt

Ansprechpartner/Konsortialführung:

Institutsteil Angewandte Systemtechnik des Fraunhofer IOSB
Am Vogelherd 50
98693 Ilmenau

Projektleitung:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Bretschneider
Telefon: +49 3677 461-102
peter.bretschneider@iosb-ast.fraunhofer.de